„Für die Gründungsszene gilt: Der Osten kommt nicht, er ist längst da!“

Ein Interview mit Claudia Behrendt, Hub Agency Lead beim OWF-Partner Digital Hub Initiative, über die Bedeutung von Matchmaking-Formaten, gezielte Unterstützung für Start-ups und die Gründungsdynamik in Ostdeutschland

Bis zum OWF24 sind es noch einige Monate hin. Wir werden in der Zwischenzeit einige der Themen wieder aufnehmen, die uns dieses Jahr beschäftigt haben und schauen, was sich in diesen Themenfeldern seit der Konferenz im Juni getan hat. Zum Auftakt haben wir mit Claudia Behrendt, Hub Agency Lead der Digital Hub Initiative gesprochen, die mit einem Matchmaking-Programm während der Konferenz Start-ups und interessierten Gästen die Möglichkeit zum gegenseitigen Austausch und Netzwerken geboten haben.

Das auf junge Unternehmen fokussierte „Start-ups meet Mittelstand“-Format hat bei den Teilnehmenden viel positive Resonanz erhalten. Wir wollten deshalb wissen, welches Fazit die Initiatoren selbst ziehen, warum solche Formate so beliebt sind und wo sich Start-Ups gezielt Unterstützung holen können. Claudia Behrendt ist Lead der Hub Agency, dem Operator der Digital Hub Initiative, und verantwortet dort unter anderem die strategische Entwicklung. Sie betreut seit über zehn Jahren verschiedene Digitalisierungsprojekte in Unternehmen und Start-ups.

OWF-Team: Ihr habt beim Ostdeutschen Wirtschaftsforum im Juni ein Matchmaking organisiert, bei dem sich Start-ups und interessierte OWF-Gäste kennenlernen konnten. Wie lief das und welches Fazit zieht Ihr aus der Veranstaltung?

Claudia Behrendt: Der Scharmützelsee war die perfekte Kulisse für ganz viel inhaltlichen Deep Dive. Das Matchmaking war ein voller Erfolg. Nicht nur für uns als Digital Hub Initiative – wir haben auch von den Gründerinnen und Gründern und Unternehmerinnen und Unternehmern viel positives Feedback bekommen. Unser Format mit Keynotes und Input auf der einen Seite und Tischen mit rotierenden Gruppen und Speeddating auf der anderen gibt dem Networking einen konkreten Rahmen. Das wurde positiv hervorgehoben. Es nimmt den Druck, einfach drauf los zu netzwerken. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer können zielgerichtet über ihre Themen und Interessen Kontakte knüpfen. Das hat sich auch in Bad Saarow wieder bewährt.

Welche Rolle spielen solche Matchmakings für Start-ups eigentlich, und nach welcher Art von Kontakt suchen diese jungen Unternehmen?

Wir nennen es ja ganz bewusst “Matchmaking”: die Start-ups aus unserem Netzwerk wollen nicht nur Kontakte knüpfen, sondern Partner für ihre Ideen finden. Sie suchen nach Mittelständlern und Corporates, die offen für neue Ansätze und Lösungen sind – oder im besten Fall schon an einer ganz konkreten Herausforderung arbeiten, die sie alleine nicht gelöst bekommen. Die Start-ups bringen ihre Innovationen mit, die Mittelständler und Corporates ihre Erfahrungen und finanziellen Möglichkeiten – so profitieren beide Seiten von einer Partnerschaft. Die Voraussetzung für ein solches Win-Win ist, dass es zwischen beiden Kooperationspartnern passt. Inhaltlich, wirtschaftlich – aber vor allem auch menschlich. Deswegen ist ein Format wie das “Matchmaking” bei Start-ups sehr beliebt.

Welche Formate bietet die Digital Hub Initiative neben Matchmakings außerdem an, um Start-ups zu fördern?

Start-ups, Mittelstand und Corporates haben bei uns viele verschiedene Möglichkeiten für Vernetzung und Förderung. Zur Digital Hub Initiative gehören 12 Hubs in ganz Deutschland mit verschiedenen Schwerpunktthemen – von AI über Digital Health bis Cybersecurity. In den Hubs gibt es viele verschiedene Angebote vor Ort, bei denen sich die etablierte Wirtschaft mit Wissenschaft und Gründerszene austauscht. Vom Accelerator-Programm über Hackathons bis zum Platz in einem Coworking-Space ist alles dabei. Das nutzen übrigens nicht nur die Gründerinnen und Gründer gerne – auch Unternehmen wechseln mal für einen Arbeitstag in einen Coworking-Space, um neuen Input zu sammeln. Einen Überblick über alle Programme findet man auf unserer Website. Ein weiteres beliebtes Tool auf der Website ist der Start-up-Finder. Dort können Unternehmen mit ein paar Klicks innovative Partner finden.

Außerdem verbinden wir Partner aus dem Mittelstand in einem interaktiven Format – der de:hub Journey, welche sich jeweils einem spezifischen Themenbereich widmet, zum Beispiel Intralogistik oder Digital Health. Ein wichtiges Projekt ist zudem unser Scale-Programm. Dort unterstützen wir Start-ups ganz individuell mit Workshops, Coachings und Vernetzung, zuletzt mit den Schwerpunkten Female Founders und Migrant Founders.

Wie sieht die Gründungsdynamik in Ostdeutschland aus, zeichnen sich hier Themengebiete oder Standorte ab, bei denen derzeit viel passiert? Seht ihr Trends, die für einzelne Regionen spezifisch sind?

Auch für die Gründungsszene gilt: Der Osten kommt nicht, er ist längst da! Ein Treiber für Start-up-Gründungen in Ostdeutschland ist unter anderem die Stärke der Universitätsstandorte wie Leipzig und Dresden, die auch Teil der Digital Hub Initiative sind. Hier stehen vor allem die Bereiche Smart Systems und Smart Infrastructure im Fokus. Aber auch in Jena, Halle, Greifswald und anderen gibt es ein Uni-Umfeld, aus dem immer mehr spannende Ideen entstehen. Im letzten halben Jahr gab es 67 neue Start-up-Gründungen allein in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Das ist in den aktuellen Zeiten keine Selbstverständlichkeit. Wie die Wirtschaft insgesamt hat aber auch die Gründungsszene im Osten Deutschlands vor allem mit fehlenden Fachkräften und Zurückhaltung bei Investitionen zu kämpfen. Deswegen sind große Investitionen, wie zum Beispiel im Bereich Halbleitertechnik in Magdeburg oder in Dresden wichtige Zeichen, auch für die Start-ups in den Regionen. Nicht zuletzt setzen Events und Austauschformate wie das Ostdeutsche Wirtschaftsforum wichtige Trends und Impulse. Wir freuen uns schon jetzt auf 2024!

Zur Person

Claudia Behrendt ist Lead der Hub Agency, dem Operator der Digital Hub Initiative und verantwortet dort unter anderem die strategische Entwicklung. Sie betreut seit über zehn Jahren verschiedene Digitalisierungsprojekte in Unternehmen und Start-ups. Die Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz besteht aus zwölf Digital Hubs mit unterschiedlichen Technologie- und Industrieschwerpunkten. Diese bilden ein starkes Netzwerk, das den Austausch von technologischer und wirtschaftlicher Expertise, Programmen und Ideen ermöglicht. Alle Infos zu Digital Hub Initiative gibt es auf www.de-hub.de

Dieser Artikel ist zuerst im OWF-Newsletter erschienen,den Sie hier abonnieren können: